Der Wildbienen-Flüsterer

Yannick Schauwecker in seinem Naturgarten bei Zürich
Wildbienen brauchen unsere Hilfe mehr denn je. Gut, dass es Menschen wie Yannick Schauwecker gibt. Für ihn sind die summenden Frühlingsboten Hobby, Leidenschaft und Beruf in einem.

Für Wildbienen lässt Yannick Schauwecker alles stehen. Sogar den duftenden Kaffee in seinem großen Naturgarten. „Sorry, ich muss da mal hinter der Blattschneiderbiene her”, sagt er mitten im Interview. Er schnappt sich seine Kamera vom Gartentisch und folgt dem fliegenden schwarzen Punkt zielsicher zu den Pfingstrosen, die hier am Stadtrand von Zürich neben einem Meer aus Wildblumen blühen. Yannick lässt die Wildbiene nicht aus den Augen, bis sie auf einem Rosenblatt landet. „Wahnsinn”, flüstert er und schießt eine Großaufnahme nach der anderen. Wie die Blattschneiderbiene mit ihren kräftigen Beißwerkzeugen ein großes Stück aus einem Rosenblatt knabbert, es am Ende aufrollt und auf dieser grünen Röhre durch die Luft reitet. In ihrem Nest baut sie damit ein weiches Bett für die Kinder, erklärt der zweifache Familienvater später mit glänzenden Augen. „Ich konnte noch nie eine Garten-Blattschneiderbiene beim Blätterschneiden fotografieren. Das ist mega.”

Yannicks Begeisterung steckt an. Der 34-Jährige liebt es, andere auf seine natürlich lockere Art mitzunehmen in die faszinierende Welt der Wildbienen. Seine Exkursionen und Vorträge, die er regelmäßig anbietet, sind extrem beliebt. „Dieser große schwarze Brummer hier ist eine Holzbiene, meine Lieblingsart. Schau mal, wie sie mich beim Fliegen abcheckt.” Tatsächlich. Anders als andere Wildbienen, die gar keine Notiz von Menschen nehmen, bleibt die Holzbiene einige Sekunden in der Luft stehen, um Yannicks Kopf mit dem dichten Bart und der dunklen Mähne zu fixieren. Dann schwirrt sie ab.

Eine Blattschneiderbiene schneidet mit ihren Mundwerkzeugen ein Stück aus einem Blatt. Sie benötigt es für den Nestbau.
Daher kommen also die Löcher in den Blättern. Aus den herausgeschnittenen Blattstücken baut die Blattschneiderbiene ihren Kindern ein weiches Nest. Bild: Pollinature

Yannicks riesiger Garten ist ein blühendes, summendes Insekten- und vor allem Wildbienenparadies. Dafür sorgt der Umwelt-Ingenieur, der früher einmal als Chemie-Laborant gearbeitet hat, mit viel Herzblut. Hier oben im Hang finden die wichtigen Bestäuber alles, was sie brauchen. Über 300 Wildblumenarten und Stauden blühen in der Frühlingssonne, etliche Wildbienenarten finden Nistplätze auf angelegten Sandflächen, in Stängeln, Totholzklötzen und großen Nistständen. Allein vergangenen Herbst hat der Wildbienen-Freund über 1000 Blumenzwiebeln gepflanzt, damit seine Schützlinge ab Frühjahr durch die farbenprächtige Pollen- und Nektar-Oase summen können. Er findet es spannend, wie jedes Jahr aus dem Nichts plötzlich alles aus dem Boden schießt. „Im Februar ist alles kahl und drei Monate später kommt man nicht mehr durch den Dschungel durch”, sagt Yannick und schaut einer Mauerbiene hinterher.

Die Pflanzen brachten ihn auf die Wildbienen

Zu den Wildbienen kam der Umwelt-Ingenieur wie viele andere Experten: über die Pflanzen. Als Student an der ZHAW (Zürcher Hochschule für angewandte Wissenschaften) begeisterte ihn das Fach „Einheimische Flora und Fauna”. „Vorher erkannte ich gerade einmal einen Löwenzahn. Als ich dann die Vielfalt von Knospen, Arten, Besonderheiten kennen lernte, war ich sofort fasziniert von dieser neuen Welt”, erzählt Yannick mit dem kalten Kaffee in der Hand.

Aber was sind Pflanzen ohne Insekten? Irgendwann ging Yannick also zu einem Vortrag über Hautflügler, zu denen auch Wildbienen gehören. „Und da hat es mich gepackt”, erinnert sich der Mann, den seine Kollegen bei Pollinature nur den Wildbienen-Flüsterer nennen. Von da an suchte er in allen Ecken Informationen über Wildbienen zusammen: in Büchern, Internet und vor allem beim Fotografieren in der Natur.

„Das erste, was ich im Urlaub mache, ist nachzuschauen, welche Wildbienen es dort gibt. Natürlich mit der Kamera.”

Denn das Fotografieren ist eine weitere Leidenschaft des Zürcher Naturburschen. „Das ist auch ein Vorteil von Wildbienen: Man kann sie und die schönen Blumen unheimlich gut fotografieren.” Und das macht er überall: In Zürich und Umgebung, in den Alpen, wo immer er hinkommt. „Das erste, was ich im Urlaub mache, ist nachzuschauen, welche Wildbienen es dort gibt. Natürlich mit der Kamera.” Weitere Hobbys? Nein, die Wildbienen stehen an erster Stelle.

Wildbienen-Freund aus Leidenschaft

Yannick gehört zu den wenigen Menschen, die ihre Leidenschaft zum Beruf machen konnten. Er ist bei der Wildbienen-Firma Pollinature und der Schweizerischen Muttergesellschaft Wildbiene + Partner der Mann für die Wildbienen-Paradiese: kleine bis mittelgroße Anlagen, in denen die wichtigen Bestäuber, vor allem die gefährdeten, ideale Bedingungen vorfinden. Yannick konzipiert die Wildbienen-Oasen für die Stadt oder ländliche Gegenden und greift vor Ort selbst zu Spaten und Hacke. Schon mehr als 23 BeeParadise mit insgesamt mehr als 20.000 Quadratmetern hat er mit seinen Kollegen angelegt, und jedes Jahr werden es mehr. Die Wildbienen nehmen den neuen Lebensraum gerne an, wie Zählungen zeigen. Schon nach zwei Jahren können sich in den neu geschaffenen Habitaten über 100 Wildbienenarten angesiedelt haben.

Yannick freut das besonders. „Denn das zeigt, dass wir alle mit neuen, wildbienenfreundlichen Lebensräumen schnell etwas bewirken können. Da reicht schon ein richtig bepflanzter Garten oder kleiner Stadtbalkon”, sagt Yannick. Man muss also nicht alles stehen und liegen lassen, um Wildbienen zu helfen. Es genügt, dass es Menschen wie Yannick gibt, die das auch in Zukunft gerne tun.

Zur Person: Yannick Schauwecker (Jahrgang 1986) lebt mit seiner Freundin und den zwei Kindern in Zürich. Er hat Umweltingenieurwesen  (ZHAW) in Wädenswil am Zürichsee studiert und zuvor vielseitige praktische Erfahrung gesammelt: unter anderem als Chemielaborant, Gärtner, Florist, Zimmermannsgehilfe und Schulbesucher für den WWF. Der Naturbursche schaut Wildpflanzen nicht nur gerne an, sondern nutzt sie auch als Zutaten beim Kochen – am liebsten auf dem offenen Feuer. Porträtbild: BLICK / Thomas Meier

6 Fragen an Yannick

Yannick, warum sind Wildbienen eigentlich wichtig?

Wildbienen spielen eine Schlüsselrolle für unser Ökosystem. Denn sie sorgen unter anderem dafür, dass die vielen heimischen Wildpflanzen bestäubt werden. Nur so können sie Früchte und Samen produzieren, um sich fortzupflanzen. Ohne Wildbienen als vielseitige und effiziente Bestäuber würden schon bald viele Wildpflanzen verschwinden. Und das würde zu einem enormen Verlust und einer starken Verarmung der Biodiversität führen. 

 Warum brauchen Wildbienen unsere Hilfe?

Gifte, überdüngte Wiesen, leergeräumte Landschaften und der weit verbreitete Wunsch, Außenflächen unbedingt in Ordnung zu halten, sind die größten Bedrohungen für unsere Wildbienen. Für sie sind vielfältige und naturnahe Lebensräume aber überlebenswichtig. Wildbienen brauchen in ihrer Umgebung einheimische Wildblumen, um sich und ihre Nachkommen mit Pollen und Nektar zu versorgen. Deshalb ist es entscheidend, dass wir wieder Wildblumen Raum geben und Kleinstrukturen schaffen: mit Totholz, offenen Bodenstellen und dürren Pflanzenstängeln.   

Wie kann man Wildbienen fördern?

Hier gibt es viele Möglichkeiten. Die wichtigsten Hilfen für den heimischen Balkon oder Garten sind tatsächlich relativ einfach umzusetzen: 

  • Einheimische Wildblumen gedeihen lassen oder pflanzen.
  • Nistplätze fördern   
  • Auf Gifte im Garten verzichten. 

 Bringt ein Insektenhotel im Garten oder auf dem Balkon denn wirklich etwas?

Das hilft vielen Wildbienenarten sehr. Vor allem, wenn schon viele einheimische Pflanzen in der Umgebung wachsen. Denn dann haben die wichtigen Bestäuber fast alles, was sie zum Leben und Nisten brauchen: Nahrung und Nistplatz. Das außerdem notwendige Material für die Nester oder Nistverschlüsse wie Lehm, Blattwolle  oder Blätter gibt es meist zuhauf. Wildbienen lassen sich mit einer Nisthilfe daheim ganz aus der Nähe beobachten. Sie stechen auch nicht stören nicht beim Essen, so dass man sie völlig gefahrlos auf Balkon oder im Garten ansiedeln kann. Für einige Arten sind Wildbienen-Häuschen ein ausgezeichneter Ersatz für selten gewordene natürliche Nistplätze, zum Beispiel in toten Bäumen.

Hilft Wildbienen-Förderung auch anderen Insekten?

Ja, das ist so. Wo viele Wildbienenarten vorkommen, ist die Pflanzen- und Tiervielfalt immer groß. Von Wildbienen-Förderung profitieren deshalb automatisch auch viele Pflanzen, Insekten und andere Tiere.

Was ist denn deine Lieblings-Wildbiene?

Ich finde Holzbienen sehr beeindruckend. Nicht nur wegen ihrer Größe, sondern auch wegen ihres faszinierenden Verhaltens. Wenn sie einen Menschen in der Nähe sehen, umschwirren sie ihn, so als wollten sie ihn abchecken: Freund oder Feind? Und dann fliegen sie weiter, bohren ihre Nistlöcher in Totholz oder sammeln Pollen. 

 


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1 Kommentar
  • Ich habe euch ja schon mitgeteilt,dass mein2. Beehome gut angekommen ist—FREUDE🥰
    Nun warte ich auf die neuen Bewohner!
    Hoffe,dass sich die "GEHÖRNTEN"🐝🐝🐝🐝
    bei mir genauso wohl fühlen werden, wie meine anderen Lieblinge- sie waren sooo fleißig-brauchten keine Maske 😷 und mussten keinen Abstand einhalten🤭😉. Aber alles wird gut!!👍(SPASS)
    Dem YANNIK wünsche ich weiter so viel Freude bei seiner Arbeit 🥰
    Deine Beiträge verfolge ich mit viel Vergnügen!♥️
    Bleibt alle gesund und voll freudiger Erwartung auf den Frühling 🐝🐞🐜🕷🦋🐌🪲….
    Grüße an Julia und Nadine- werde euch auch dieses Jahr wieder Fotos schicken!
    eure Traudel 🌞🌞🌞

    Bienenoma TRAUDEL aus dem Eichsfeld in Thüringen am

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